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Channel: Marius Hasenheit – WiWo Green
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Energieträger der Zukunft: Algen erobern eine Berliner Fassade

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Viele mögen bei Algen an ungeliebte Begleitschaft im Badesee denken, andere sagen kleinen Kraftwerken, deren Energie von Algen kommt, eine große Zukunft voraus. Auch die Pharma-, Kosmetik und Tierfutterbranchen schielen bereits zum “grünen Gold”. Nun gibt es einen neuen Algen-Bioreaktor in Berlin – und das an einer Gebäudefassade.

Seit November ist am EUREF Campus in Berlin-Schöneberg eine Algenanlage montiert. Realisiert wurde das Projekt durch die Palmetto GmbH. Das Unternehmen hat selbst seinen Sitz in dem Gebäude und dadurch den besten Überblick über das Wachstum der Algen. Dort betreibt es auch einen Showroom, in dem es verschiedene Produkte ausstellt.

Die Algenpioniere begründen ihre Vorliebe meist mit zwei Entwicklungen: Zum einen prognostizieren die Vereinten Nationen bis 2050 einen Anstieg der Weltbevölkerung auf knapp zehn Milliarden Menschen. Gleichzeitig steigen der globale Fleischkonsum und teilweise auch die Lebensmittelverschwendung. All diese Trends stellen die Nahrungsmittelproduktion vor Herausforderungen. Missernten, Spekulationen mit Grundnahrungsmitteln oder Extremwetterereignisse können diese Herausforderungen noch verstärken.

Gerade Öle, Mikronährstoffe und gar Vitamine wie B12 lassen sich gut aus Algen gewinnen. Zudem wachsen sie schnell. Algen  haben im Vergleich zu Landpflanzen eine fünf- bis zehnfache Biomasseproduktivität. Kultivieren die Algenbauern ihr “grünes Gold” an Fassaden, kommt außerdem eine ideale Flächennutzung hinzu.

Im Gegensatz zu den Bioenergiepflanzen der konventionellen Landwirtschaft kommt es zu keiner Flächenkonkurrenz. Die “Tank oder Teller”-Problematik wird also vermieden. Je nach Algenart und Verarbeitung liefern die Algenzellen auch wichtige Enzyme, Proteine, Fettsäuren, Aminosäuren, Vitamine und Farbstoffe für die Nahrungsmittelindustrie.

Algen – unterschätzter Rohstoff oder teure Spielerei?

Während die Weltbevölkerung anwächst, schrumpfen die Reserven der leicht erreichbaren und damit billigen fossilen Rohstoffe. Diese sind jedoch immer noch Basis der globalen Energieversorgung, zudem Grundstock vieler chemischer Prozesse. Die möglichen Verwendungen sind vielseitig: als Bestandteil von Anti-Aging-Cremes, Straßenbelag, Nahrungsergänzungsmitteln und Kunstschnee.

Testweise wurde in Hamburg bereits eine kleine Biogasanlage mit Algen betrieben. Die geernteten Algen werden in einem Reaktor in Biogas umgewandelt und dann verfeuert. Auf diese Art und Weise kann sowohl Wasser erwärmt, also auch Strom produziert werden.

Auch in Paris wachsen Algen bereits an einer Gebäudefassade. Dort entwickelte das Architektenbüro Axel Schoenert UrbanLab Reaktoren, in denen vor allem Algen zur Ölproduktion züchten. Größer noch sind die Anlagen in Brasilien, wo Algen in fünf Meter hohen Silos kultiviert werden. Der Clou: das für die Photosynthese notwendige Licht wird in Solarsammlern auf den Dächern der Silos per Prisma und Glasfaserkabel in die Silos geleitet. Somit können die Algen im ganzen Bioreaktor wachsen, statt nur an der Oberfläche wie in herkömmlichen Tanks.

Viele „Algenpioniere“ setzen auf Großanlagen. Manche von ihnen wollen solche Anlagen mit der Stahlindustrie und Kohlekraftwerken kombinieren. Der „grüne Gürtel“ aus Bioreaktoren soll dann die anfallenden CO2-Emissionen mittels der Algen in wertvolle Biomasse umwandeln – auch hier könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Allerdings ist aus dem “könnte” noch kein “kann” geworden, denn bisher ist die Algen-Technologie noch im Versuchsstadium und preislich oft noch keine Alternative. Der Palmetto-EUREF-Reaktor soll sich von Anfang an wirtschaftlichen rentieren – und damit den Algen endgültig den Weg bereiten.

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